GRANDIOS
ALLE LIEBEN TOUDA
VERLEIH: IMMERGUTEFILME
KINOSTART: 29. MAI 2025
Die 35 Jahre alte Touda (Nisrin Erradi) lebt mit ihrem Taubstummen Sohn Yassine (Joud Chamihy) alleinerziehend in der Provinzstadt Sidi Bennour/Marokko. Sie träumt davon eine anerkannte „Sheika, eine traditionelle marokkanische Sängerin, zu werden. Da sie in ihrer Stadt nur in zwielichtigen Bars auftritt und dort auch immer wieder Männer begegnet die sie persönlich negativ beeinflussen, bringt sie all ihren Mut auf und versucht ihrem Provinznest zu entfliehen und in Casablanca einen Neuanfang zu wagen, zumal auch ihr Sohn in der Provinz keine adäquate Schulbetreuung bekommt.
Sie hofft mit diesem mutigen Schritt, nicht nur ihre Karriere als Sängerin zu fördern, sondern auch dass ihr Sohn in der Großstadt auf eine Schule gehen kann, wo er die Gebärdensprache erlernen kann. In der Großstadt angekommen muss sie sich auch den dortigen patriarchalischen Strukturen erwehren.
Der französische Regisseur und Drehbuchautor Nabil Ayouch hat mit „alle lieben Touda“ einen sehr impulsiv-anrührenden Film auf die Leinwand gebracht. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin, der Regisseurin Maryam Touzani („Das Blau des Kaftans (2022)“), hat er auch wieder am Drehbuch mitgeschrieben
Wie in seinen vorherigen Filmen nähert sich der Filmemacher in dieser Geschichte mit unerschrockenem und schonungslosem Realismus den sozialen Strukturen der arabischen Welt. „Alle lieben Touda“, ist ein größtenteils fesselndes, wenn auch manchmal formelhaftes Porträt einer Frau, die entschlossen ist, ihr Leben zu ändern.
Der Film ist ein euphorisches Erlebnis, getragen von der Hauptdarstellerin Nisrin Erradi, die sowohl die emotionale Wucht des Films souverän meistert, als auch die musikalischen Einlagen überzeugend darbietet.
Ihre Darbietung, geprägt von stählerner Entschlossenheit, gelegentlich gemildert durch einen verletzlichen Blick, rundet diese Momente ab. Die Schauspielerin ist eine fesselnde Leinwandpräsenz, deren Darstellung die Erzählung emotional voranpeitscht und das Publikum von Anfang an fesselt.
Der Regisseur Ayouch gestaltet einen feministisch geprägten Film, in dem Frauen darum kämpfen müssen, gehört zu werden. Der häufige Einsatz von Gebärdensprache, während Touda gestikulierend mit ihrem Sohn spricht, zeigt zudem, dass die „Entrechteten“ ihre eigene Stimme finden müssen.
In „Alle lieben Touda“ folgen auf Momente schmerzhafter Verletzung fast immer eine unheimliche Ruhe. Abrupte Schnitte (Schnitt: Nicolas Rumpl und Yassir Hamani) zwischen den Szenen spiegeln den unruhigen Rhythmus des Lebens wider und unterstreichen die allgemeine Widerstandskraft der Hauptprotagonistin.
Dass diese junge Mutter einen Großteil der Härte ihres Lebens erträgt, ist zugleich ein Beweis ihrer Stärke und eine Anklage gegen ihre Gesellschaft. Es ist nicht das erste Mal, dass der Filmemacher eine Geschichte darüberschreibt, wie Frauen mit den Zwängen des geschlechtsspezifischen Konservatismus in der arabischen Gesellschaft umgehen müssen. Sein Film „Was Lola will (2208)“ handelte von einer New Yorker Postangestellten, die ägyptische Bauchtänzerin werden wollte, sein kontroverses Drama „Viel Liebe (2015)“ untersuchte die Prostitution in Marokko anhand des Lebens von vier Frauen.
In Zusammenarbeit mit Kamerafrau Virginie Surdej zeigt der Regisseur, wie die Hauptprotagonistin ihre eigene Vorstellung von Glück verfolgt und um diese Kämpft. Vom Unterrichten der Gebärdensprache für ihren Sohn Yassine bis hin zum Setzen von Grenzen gegenüber ihrem Geliebten (Lachcen Razzougui), einem verheirateten Polizisten, dessen Namen wir nie erfahren, behauptet sich Touda sowohl als Mutter als auch als emanzipierte Frau.
Virginie Surdej zeigt mit ihren eindringlichen Bildern die Reise von einem ländlichen Marokko hin, zu dem Molloch der Großstadt und fängt nicht nur die verschiedenen Perspektiven eines Landes ein, dass auch in seinen Großstädten konservativ verwurzelt bleibt, sondern begleitet unsere „Heldin“ bis an ihre vermeintlichen Ziele.
„Alle lieben Touda“ ist ein fesselnder Film, der durch seine Musik und seine Geschichte ein aufregendes Frauen-Porträt darstellt!
GRANDIOS jens oliver marcks
